Kriegsgefangene Osmanen in München

In der Zeit der sogenannten Türkenkriege versuchte das Osmanische Reich über den Balkan weiter nach Mitteleuropa vorzudringen. 1683 scheiterte der letzte Versuch der Osmanen, Wien zu erobern, das damals Hauptstadt eines sogenannten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war, das weite Teile Europas umfasste. In den christlichen Ländern setzte man die Expansion der Türken mit einer drohenden, gewaltsamen Ausbreitung des Islams gleich. Stattdessen drängten aber die christlichen Herrscher das Osmanische Reich immer weiter zurück und zwangen ihrerseits der eroberten Bevölkerung die katholische Konfession auf.

Von seinen Feldzügen gegen die Osmanen brachte Kurfürst Max Emanuel (er regierte 1679-1726) ca. 800 kriegsgefangene Soldaten mit nach München. Sie stammten aus den verschiedensten Provinzen des großen Osmanischen Reiches, d.h. sie konnten z.B. auch Araber, Kurden, oder aus dem Balkan sein, wurden hier aber alle „Türken“ genannt. Wie auch bei späteren Kriegen wurden die Gefangenen für Zwangsarbeit eingesetzt. Max Emanuel ließ die Schlösser Nymphenburg und Schleißheim – damals lagen sie weit außerhalb der Stadt – durch Kanäle mit der Residenz verbinden. Nur ein Teil davon existiert heute noch, wie z.B. der Nymphenburger Kanal. An diesem sehr umfangreichen Bauprojekt wurden zeitweise „türkische“ Kriegsgefangene eingesetzt. Einen der Kanäle, der später wieder zugeschüttet wurde, nannte die Bevölkerung deshalb „Türkengraben“ (obwohl wir heute wissen, dass gerade an diesem Abschnitt keine Kriegsgefangenen gearbeitet hatten). Seinen Verlauf markieren die heutige Kurfürsten- und Nordendstraße, die Verlängerung in Richtung Schleißheim wurde Belgradstraße benannt. Als Anfang des 19. Jahrhunderts in jener Gegend das neue Stadtviertel Maxvorstadt angelegt wurde, nannte man eine der neuen Straßen in Erinnerung an die exotischen Arbeitskräfte einer früheren Zeit „Türkenstraße“. Sie liegt heute im lebendigen Univiertel, und viele Einrichtungen wie z.B. die Gaststätte Türkenhof bewahren ebenfalls die Erinnerung.

Die osmanischen Gefangenen wurden freigelassen, als 1699 Friede geschlossen wurde, und konnten in ihre Heimat zurückkehren. Einige von ihnen zogen es allerdings vor, hier zu bleiben. Als Muslime durften sie das nicht, denn zur damaligen Zeit mussten alle Bewohner Bayerns katholisch sein. Nur wer sich taufen ließ, konnte bleiben, und in den damaligen Dörfern Au und Haidhausen (heute Stadtviertel rechts der Isar) siedelten sich kleine Gruppen Freigelassener an. Sie nahmen deutsche Namen an und gingen bald in der einheimischen Bevölkerung auf. Noch heute wissen manche Münchner aus ihrer Familiengeschichte, dass zu ihren Vorfahren vor rund 300 Jahren auch ein „türkischer“ Soldat gehört hat.

„Türkenschule“

Das rote Schulgebäude hinter der Mauer gehört zur „Grundschule an der Türkenstraße“; allgemein wird sie einfach „Türkenschule“ genannt, hat aber keinen hohen Anteil an türkischstämmigen SchülerInnen. Sie wurde 1874 gegründet und galt als besonders progressiv, weil sie katholische und evangelische Kinder gemeinsam aufnahm. Das hieß damals „Simultanschule“ und wurde in der Bevölkerung sehr kontrovers diskutiert. Getrennte Grundschulen für katholische und evangelische Kinder waren in Bayern noch bis 1968 normal.