Am Marienplatz stehen zwei Rathäuser: das große Neue Rathaus, das die ganze Nordflanke des Platzes einnimmt, und das kleinere Alte Rathaus an der Ostseite.

Das Alte Rathaus stammt aus dem Mittelalter (erbaut 1470-1480). Es fällt durch die hohen Rundfenster, den markanten Giebel und den spitzen Turm daneben auf. Mit der langen Geschichte des Alten Rathauses sind viele, ganz unterschiedliche Aspekte Münchens verknüpft.

Morisken

Gleich neben dem heutigen Eingang, im Fußgängerdurchgang gelegen, ist auf einer Stange eine tanzende Figur zu sehen. Die Originale dieser insgesamt zehn „Moriskentänzer“ sind heute im Stadtmuseum am St.-Jakobs-Platz ausgestellt. Sie sind aus Holz geschnitzt, vergoldet und bemalt und stammen aus der Zeit, in der das Alte Rathaus erbaut wurde. Ursprünglich gehörten sie zur Dekoration des besonders prächtigen Saales im Obergeschoß. Dort sind heute Kopien aufgestellt. Dieser Saal wird heute für besondere Veranstaltungen genutzt, ansonsten ist das Innere des Alten Rathauses nicht öffentlich zugänglich.

Das Wort „Morisken“ ist von „Mauren“ abgeleitet, die als arabische Muslime im Mittelalter über Andalusien (einen Teil des heutigen Spanien und Portugal) herrschten. Ab 1492 wurden sie von katholischen Herrschern vertrieben, ebenso wie die Juden, während zuvor Christen und Juden im muslimischen Andalusien relativ frei leben durften. Der damals weit verbreitete Moriskentanz geht wohl auf arabische Einflüsse zurück und verbreitete sich in ganz Europa. Die Moriskenfiguren, die bei der Münchner Bevölkerung immer schon sehr bekannt und beliebt waren, gehen also letztlich zurück auf Migranten aus Andalusien. Einer von ihnen wird als Schwarzafrikaner dargestellt – damals
verwendete man das Wort „Mohr“ (das ebenfalls mit „Maure“ verwandt ist; man sieht ihn häufig in den Schaufenstern von Souvenirgeschäften). Er und einige andere dürfen zu den ersten Muslimen gehören, die wir in Münchens Geschichte finden.

„Pogromnacht“

Rechts neben dem Eingang erinnert eine Tafel an einen ganz anderen, grauenvollen Aspekt, der für immer mit diesem Gebäude verbunden bleibt. Die sogenannte „Reichskristallnacht“ (oder „Pogromnacht“) – auf die an der Station GEDENKSTEIN HAUPTSYNAGOGE näher eingegangen wird – nahm von diesem Saal aus ihren schrecklichen Verlauf. Damals wurde die Zerstörung von Synagogen und jüdischem Besitz, die massenhafte Inhaftierung und offene Gewalt gegen Juden in ganz Deutschland zum Auftakt für Entrechtung, Verfolgung und schließlich massenhafte Ermordung der Juden in Europa.

Heimkehrer

An die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert links vom Eingang ein großes Relief mit schwer bedrückt wirkenden Frauengestalten. Sie warten auf die Rückkehr ihrer Männer und Söhne aus der Kriegsgefangenschaft. Es dauerte bis zu zehn Jahre, bis die letzten überlebenden Soldaten aus der Gefangenschaft zurückkehren konnten. Bei der Generation der heute Erwachsenen kommt es nicht selten vor, dass man die eigenen Großväter nicht gekannt hat, weil sie im Krieg gefallen sind oder vermisst wurden und nie zurückgekehrt sind. Das Denkmal stammt aus dem Jahr 1954 – an das Leid der vielen anderen Opfer des Krieges und an seine Ursachen erinnert es nicht.

Zerstörung

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch das Alte Rathaus durch Luftangriffe schwer zerstört, so wie 90 % der Münchner Altstadt. Deshalb wirkt z.B. die Bebauung rund um den Marienplatz ausgesprochen uneinheitlich. Nur historisch bedeutsame Gebäude wurden meist im ursprünglichen Zustand wieder aufgebaut.